Konsumterror

Es muss raus! Ich kann es nicht mehr länger mit anhören. Anders, als der Titel es vermuten lässt, geht es in dieser Kolumne nicht um den Terror, der uns Konsumenten von den Produzenten angetan wird, sondern um den Terror der Konsumenten an sich selbst. Direkt im Supermarkt. Man läuft, seine Einkäufe erledigend, auf dem Weg zu Kasse, nichts ahnend am Süßigkeitenregal vorbei, da hört man es. Es geht gar nicht anders, so laut wie das Gespräch geführt wird. Die jungen Leute - das Gespräch wird meistens von älteren Jahrgängen geführt - sollen schließlich an den Weisheiten der Jahrzehnte teilhaben.

"Einfach unmöglich, dass es das jetzt schon wieder gibt!" Wie bitte? Die Rede ist natürlich von Weihnachtsgebäck, dass schon im Juni (der Autor übertreibt ein wenig) in den Regalen der Einkaufstempel liegt und auf Käufer wartet. Na dann is' ja alles klar. Wie bitte? Hä? Nichts ist klar! Hören die sich eigentlich noch selbst zu? Bitte, bitte, ich will den Satz beenden! "Früher, nach'm Krieg hätt' s das nich' gegeben. Da waren die Regalen leer! Das waren noch Zeiten. Damals war alles besser."

Hallo? Noch da? Darf man als junger Spund einem älteren Mitmenschen so etwas, in solch einem Moment direkt ins Gesicht sagen, ohne dabei respektlos dem Alter gegenüber zu erscheinen? Ich meine, ich weiß schließlich nicht ob' s vielleicht wirklich besser war. So' ne Scheibe Brot einmal die Woche - Diätberater kassieren mit solchen Vorschlägen heute kräftig ab. Ich in meinem jugendlichen Leichtsinn möchte jedoch sagen: Nee, lassen' se mal! Drei tägliche Malzeiten sind nicht das allerschlimmste was einem angetan werden kann.

"Ja, aber Weihnachtsgebäck is' doch was besonderes; nur zu Weihnachten." Schön; es hindert Sie ja niemand daran diese Zuckerpakete nur zu Weihnachten zu kaufen. Ich will meinen Standpunkt mal ganz deutlich machen: Von mir aus kann es Lebkuchen und Schokoweihnachtsmänner das ganze Jahr über geben. Man muss sie ja nicht kaufen!!! Wo liegt also das Problem? Ich sage es Ihnen: Unfähigkeit und Schuldgefühle. Das Problem ist die Unfähigkeit der Konsumenten. Die wissen nämlich, dass sie, sobald das Zeug in den Regalen steht, zugreifen und es nach Hause schleppen. Da ihnen jedoch ihr Gewissen sagt, dass sie das ja eigentlich noch gar nicht gedurft hätten (kulturelle Konditionierung), weil ja eben noch gar nicht Weihnachten/Ostern ist, bekommen sie Schulgefühle. Und wer ist dann an diesen Schuldgefühlen schuld? Sie selbst? Aber nein: Die bösen, bösen Hersteller der Teufelswahre sind schuld, die gefälligst ihre Produkte nur zum passenden Zeitpunkt auf den Markt bringen sollen. Und wenn dann doch etwas in den Regalen steht nach dem wir dann begierig greifen, nach dem wir aber eigentlich noch gar nicht greifen dürfen, dann reden wir wieder von Konsumterror.

Wer zu blöd ist, um von seiner Konsumentenautonomie Gebrauch zu machen - und ich rede hier nicht von komplizierten Preis- und Produktvergleichen, sondern von einfachem Produktverzicht - der hat den Terror voll und ganz verdient. Ein Terror jedoch, der von jedem selbst ausgeht.
Sollte das immer noch nicht überzeugt haben, hier noch mein Masterargument: Wenn mehr produziert wird, entstehen mehr Arbeitsplätze. Ist zwar falsch, aber.. siehe eine andere Kolumne!

Martin Hedler
 

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letzte Änderung: 04.11.2004
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