Warum Mindestlöhne gut sind

Bezug

Mein werter Mitstreiter schrieb vor einigen Tagen seine Sicht, warum Mindestlöhne schlecht sind. Damit nun niemand denkt, HPFSC ist ein neoliberaler Think Tank, erfolgt hier sozusagen die linke Gegensicht :-)

Grau ist alle Theorie

Hhhm, eigentlich könnte ich es bei der Überschrift belassen. Natürlich hat er Recht, wenn er die Markttheorie bemüht und sagt, jede Regulierung zerstört die normalen Marktkräfte. Aber die Realität ist doch, dass wir schon heute einen stark regulierten Arbeitsmarkt (nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU) haben und der Arbeitsmarkt sowieso faktisch nicht mehr funktioniert.

Schon heute ist die staatliche Unterstützung höher als der in manchen Branchen und Regionen gezahlte Arbeitslohn. Und es gibt sehr viele Beispiele, wo Menschen deshalb lieber von Sozialhilfe leben, als selbst zu arbeiten. Oder sie nehmen trotz Arbeit soziale Unterstützung an (z. B. Wohngeld), damit sie überhaupt vernünftig leben können. Würden wir also einen Mindestlohn so festsetzen, dass er letztendlich nur so hoch ist wie die Sozialhilfe, dann dürfte am Ende die ganze Sache ein Nullsummenspiel sein.

Letztendlich will ich aber nicht ökonomisch argumentieren, sondern menschlich. In Deutschland haben wir eben nicht einen Raubtierkapitalismus, sondern eine soziale Marktwirtschaft. Wir akzeptieren eben nicht ein vollständiges Diktat des Marktes, sondern versuchen die schlimmsten Auswüchse durch staatliche Maßnahmen abzufangen. Die Mehrheit der Deutschen scheint dies auch zu unterstützen, zumindest kann ich keine große Protestbewegung gegen Mindestlöhne erkennen.

Man sollte sich in der ganzen Diskussion eher die Frage stellen, ob man es ethisch vertreten kann, wenn ein Mensch nicht von seiner Arbeit leben kann. Die oft zitierten Stundenlöhne von 3,50€ gibt es wirklich - ich habe sowas mehrfach erlebt. Und dies sind meiner Meinung nach nicht mal die schlimmsten Sachen. Da gibt es Unternehmer, die ihren Mitarbeitern nicht mal die gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubstage im Jahr genehmigen. Die Mitarbeiter wissen nicht von ihrem Recht bzw. haben zu viel Angst um ihren Arbeitsplatz. In einem mir persönlich bekannten Pflegedienst kam der Chef auf die Idee, den Krankenschwestern, die täglich mit dem Auto durch die ganze Stadt fahren um Hausbesuche zu machen, nur noch die Zeiten bei den Patienten vor Ort zu bezahlen, nicht aber die Fahrtzeit zwischen den Patienten. Ein anderer Fall betrifft eine dieser typischen Lebensmittelhändler, die mit ihren Kühlwagen in die Wohngebiete fahren. Den Fahrern wird so oder so ein sehr niedriger Lohn bezahlt, aber 12 Stunden an 6 Tagen die Woche sind Pflicht und das Beladen und Entladen der Fahrzeuge zählt nicht zur Arbeitszeit.

Dies sind alles Beispiele aus Deutschland im Jahr 2007. In vielen Regionen haben wir Massenarbeitslosigkeit und es ist so oder so ein Überangebot von Arbeitskräften vorhanden. Es gibt eine Vielzahl von gewissenlosen Unternehmern, die gern bereit sind, diese Situation auszunutzen und dies auch tun. Deshalb sollte ein Mindestlohn (vielleicht 5€ oder 6€) eingeführt werden, um zumindest wieder ein paar Rahmenbedingungen für den Einsatz menschlicher Arbeit festzulegen. Und letztendlich kann man in ein paar Jahren immer noch prüfen, ob das alles was gebracht hat. Wenn nicht, kann man dann mit guten Gewissen die Mindestlöhne wieder abschaffen.


 

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letzte Änderung: 12.04.2007
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