Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, eine Kolumne zu schreiben, wenn man schlecht geschlafen hat. Schaut man sich das Verhältnis zwischen Schlaf und Nichtschlaf meiner letzten Nacht an, könnte man auch sagen, ich habe gar nicht geschlafen. Schuld könnten die 6 Gläser Autofahrercola gewesen sein oder aber die 6 Stunden klappernde Metalmusik in der Kneipe wo ich war. Mir soll es heute nicht um die steigende Anzahl derer gehen, die denken, sie müssen mit großen Kopfhörern um den Hals durch die Straße latschen. Wobei ich vermute, dass sie doch irgendwie genau zu meiner Zielgruppe gehören. Denn was werden sie wohl mit ihren großen Ohrmuscheln aus den für diese Hörgeräte viel zu schwachen MP3 Playern wohl hören, außer einem mittelmäßigem Sound? Natürlich, es wird viel Chartmucke dabei sein. Keine Frage, Gangstars sind überall. Aber viele werden sich rühmen, alternativ zu hören. Doch was heißt alternativ heute? Ich habe vor einiger Zeit mal auf einer Webseite geschaut, was heute in die Top 10 von Alternativ so fällt. 7 von 10 Titeln waren in Deutsch, gespielt "von solch illustren Acts wie" die Helden, den Sportfreunden oder denen im April hängengebliebenen Leuten von Juli. Nur, was ist an dieser Musik alternativ? Alternativ würde doch bedeuten, mit dem Gewohnten zu brechen. Eine Gegenströmung anzubieten, andere Lebenswege zu propagieren. Nun ja, ein Klischeetag am Strand mit vielen gut gelaunten Studenten wie in der Welle mag ja für die Großeltern aus Bayern noch irgendwo alternativ sein, aber für die Masse der deutschen Twens ist es dies sicher nicht. Ganz besonders gefressen habe ich die Helden. Wer sich Held nennt, sollte auch irgendwo einer sein. Doch was bitteschön ist an einer braven Formation mit Frontfrau heldenhaft? Einzig Alice Schwarzer würde sich doch freuen, dass das Mädel vor den Kerlen rumspringen darf, ohne viel Busen zeigen zu müssen. Es wird brav in Deutsch gerockt, das freut sicher auch die CSU und andere Kämpfer gegen eine Verfremdung der deutschen Sprache. Alternativ ist das nicht. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir erkennen, dass uns in den letzten Jahren eine große Hypewelle überrollt hat. Das Konzept ist klar: Rock-Pop-Band, Frontfrau, Gesang auf Deutsch, pseudophilosophische Texte. Oder können sie mir den Sinn des Denkmalsongs der Helden erklären? Der ganze Text ist doch völliger Quark! Am Anfang dachte ich, ich bin einfach zu blöd und zu alt ihn zu verstehen. Ich wäre fast in eine Midlife Crisis gestürzt. Doch irgendwann dämmerte es mir, dass der Text keine Botschaft hat und einfach nur dahingefaseltes Bla Bla ist - Pseudophilosophie eben. Der nun vielleicht nicht mehr so geneigte Leser mag einwenden, dass ich doch etwas polemisch vorgehe. Dieser Kritik kann ich mich nicht ganz verwehren. Problem ist aber, dass es mich viel Kraft gekostet hat, endlich zu sagen, wie armseelig die neuere deutsche Welle wirklich ist. Sagen sie doch mal in ihrem musikalisch interessiertem Bekanntenkreis, dass sie die Helden doof finden, die Sportfreunde nur ein paar Baumarktclowns sind und Juli nur eine von Greenpeace gelaunchte Formation ist! Sie lesen richtig - Greenpeace. Oder warum sammelte die Frontfrau so anständig am Ende des Wellenvideos die leere Weinflasche wieder auf? Die Szene, wo sich die lustige Meute mit ihren Handys gegenseitig am Strand anbiedert, zeigt man uns allerdings nicht. Um es nochmal deutlich zu sagen: Die Alternativen sind im Mainstream angekommen! Den Mut für diese Kolumne hat mir übrigens ein sehr kontroverses Buch gegeben: "Don't believe the Hype". Wie dem auch sei, nächstes Mal werde ich in der Kneipe sicher lieber auf Autofahrerwasser umsteigen. |