Von Tüten, Beuteln und Schachteln

Sie kennen das sicher. Abends fragt man sich, was der Tag gebracht hat und ob der Weltschmerz etwas leichter zu ertragen ist. Meist hat man keine Fortschritte gemacht. Deshalb freut man sich umso mehr über Tage, an denen ein regelrechter Sprung auf der Erkenntnisleiter gelingt. Ich hatte neulich so einen Tag: Ich traf eine Verpackungsingenieurstudentin.
Bei vielen Studiendisziplinen hat man sofort ein klares Bild, wo es mit der Person hingehen wird. Während die blonde BWL Studentin als Chefsekretärin enden wird und ihr blonder männlicher Komilitone als eben dieser Chef, so führt die Karriereleiter des Philosophie- und Soziologiestudenten in die andere Richtung. Aus Höflichkeit fragt man zwar nochmal nach dem Berufsbild, aber im grunde kennt man die Antwort schon: Taxifahrer!
Doch wie sieht es bei den Verpackungsingenieuren aus? Ich hatte keine Ahnung. Als wage Idee schwebte mir der professionelle Reichstagsverpacker vor, aber das konnte es nicht sein. So viele Reichstage haben wir nicht. Schnell wurde mir klar, dass das Verpackungswesen eine ernste Sache ist. So gibt es Verpackungen, die den Sauerstoffgehalt des Verpackungsinhaltes senken und die aktuelle Sauerstoffkonzentration nach Außen farblich anzeigen. HighTech auf ganzer Linie!
Doch Verpackungsingenieure haben noch mehr als ein paar bunte Verpackungen geschaffen. Sie haben für sprachliche Klarheit gesorgt. So sind nämlich die meisten Tüten eigentlich Beutel. Eine Mülltüte ist ein Müllbeutel. Tüten laufen unten spitz zu. Ist dies nicht gegebenen, dann ist die Tüte ein Beutel. Da helfen auch keine Henkel. Die meisten Tüten sind Beutel. Lediglich die Eistüte ist auch wirklich eine Tüte und kein Beutel. Nicht definiert wurde bis jetzt, ab wann aus einem Beutel ein Sack wird. Hier besteht akuter Forschungsbedarf.
Abstrakt gesehen ist jede Tüte auch ein Beutel, jeder Beutel auch ein Sack, aber eben nicht umgekehrt. Ein Beutel mit rechten Winkeln an den Kanten ist übrigens eine Schachtel. Wohlgemerkt eine Schachtel und kein Karton, denn Karton ist ein Material und keine Verpackung. Man sollte hier wirklich differenzieren. Neben dem Beutel-Sack-Problem gibt es das Schachtel-Kiste-Problem. Denn wann wird die Schachtel zur Kiste? Ist es eine Frage der Größe? Wohl kaum! Aber auch das Material, also zum Beispiel Karton, kann sicher nicht das hinreichende Kriterium sein. Deshalb mein Aufruf an alle jungen Verpackungsingenieure: Nehmt euch dieser Problematik an!
Nach diesem Tag konnte ich mit der Gewissheit ruhig einschlafen, einige Sprossen auf meiner Erkenntnisleiter übersprungen zu haben. Es war aber auch beruhigend zu wissen, dass das Känguruh immer noch ein Beuteltier und kein Tütentier ist.

 

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letzte Änderung: 08.06.2004
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